Armenien (armenisch Հայաստան, Transkription ostarmenisch: Hajastan [hɑjɑsˈtɑn], westarmenisch: Hajasdan [hɑjɑsˈdɑn]) ist ein Binnenstaat im Kaukasus und liegt im Bergland zwischen Georgien, Aserbaidschan, dem Iran und der Türkei. Das Land entspricht dem nordöstlichen Teil des ehemals viel größeren armenischen Siedlungsgebiets, das jedoch in der wechselvollen Geschichte Armeniens nur selten ein vereintes Reich war.
Lage und Struktur
Armenien liegt am Übergang zwischen Kleinasien und (dem aus europäischer Sicht so benannten) Transkaukasien, zwischen 38° 51′ und 41° 16′ nördlicher geographischer Breite sowie 43° 29′ und 46° 37′ östlicher geographischer Länge. Der heutige Staat umfasst ein Gebiet von 29.800 Quadratkilometern im Nordosten des Armenischen Hochlands und am Südrand des Kleinen Kaukasus.
Die Landesfläche Armeniens ist etwa so groß wie die des deutschen Landes Brandenburg. Es grenzt im Norden an Georgien, im Osten an Aserbaidschan, im Südosten an den Iran, im Süden an die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan und von Südwesten bis Westen an die Türkei. Die heutige Bevölkerungszahl beträgt etwa drei Millionen.
Armenien ist ein sehr ausgeprägtes Gebirgsland – 90 % der Landesfläche liegen mehr als 1000 Meter über dem Meeresspiegel, die mittlere Höhe beträgt sogar 1800 Meter. Von Norden her erstrecken sich die über 3000 Meter hohen Ausläufer des Kleinen Kaukasus. Die höchste Erhebung ist der erloschene Vulkan Aragaz (4090 Meter) unweit des biblischen Ararat, der tiefste Punkt liegt rund 380 Meter hoch am Fluss Aras an der Grenze zum Iran und zu Aserbaidschan. Das Gebiet liegt in einem Faltengebirge – es entstand und verändert sich nach wie vor durch den Zusammenstoß der Eurasischen Platte mit der Arabischen Platte – und ist dementsprechend stark durch Verwerfungen erdbebengefährdet. Das Gestein ist oft vulkanischen Ursprungs. Unter den nachgewiesenen Bodenschätzen sind verschiedene Kupferoxide am wichtigsten, die als Nebenprodukt Molybdän, Eisen und Gold enthalten, außerdem Uran, verschiedene Halbmetalle, Schmucksteine und Gesteinsarten wie Tuff, Basalt, Marmor und andere. Hinzu kommen Mineralwasserquellen, deren Wasser für Heilzwecke und im Alltagsgebrauch Verwendung findet.
Der größte See Armeniens ist der östlich von Jerewan etwa 1900 Meter hoch gelegene Sewansee mit einer Fläche von derzeit ungefähr 940 Quadratkilometern. Durch Wasserentnahme ist seine Fläche stark zurückgegangen (1984: 1262 Quadratkilometer). Die längsten Flüsse Armeniens sind Aras, Worotan, Kassagh, Hrasdan und Debed.
Klima
Durch das Gebiet der Republik Armenien verläuft zwar der 40. Breitengrad, der durch Menorca und die nördliche Grenzregion von Kalifornien verläuft und in dessen Nähe Städte wie Otranto, Aranjuez, Philadelphia und Peking liegen, doch ergeben sich durch die beträchtlichen Höhenunterschiede – beispielsweise verläuft nur etwa 50 km südlich des Aragaz (4090 m) das Tal des Aras (hier ca. 840 m) – und die kleinteilige Landschaft unterschiedliche lokale Klimata. Einerseits wirken die nahen Meere ausgleichend, andererseits begünstigen die Hochgebirge der Umgebung extreme Schwankungen. Die hohen Gipfel des Kaukasus wirken starken Kälteeinbrüchen von Norden her entgegen. In den Tälern und Niederungen ist das Klima kontinental, wobei die Temperaturen im Sommer mittags meist über 30 °C liegen, in den Bergen insgesamt etwas kühler und an der Grenze zum Iran subtropisch und sehr trocken.
Pflanzen- und Tierarten
Das Gebiet der Republik Armenien ist artenreich; es gibt eine Vielzahl endemischer Arten. In der Arasniederung finden sich Salzpflanzen. Bis zu einer Höhe von 1400 Metern sind Artemisia weit verbreitet. Im gebirgigen Gelände wachsen viele dornige Sträucher und andere stachelige Pflanzen, wie etwa Disteln. Im Hochgebirge treten vermehrt trockenliebende Pflanzen auf. Um das Jahr 1900 waren rund 25 Prozent der Fläche von Bäumen oder Sträuchern bedeckt, 1964 etwa 15 Prozent, 2005 nur noch acht bis zehn Prozent.
In Sangesur im Süden des Landes liegt die Baumgrenze bei 2400 Metern. In noch höheren Lagen ähnelt die Pflanzenwelt derjenigen der Alpen.
Der lateinische Name der Aprikose, Prunus armeniaca, lautet übersetzt „armenische Pflaume“. Die Aprikose gehört zu den Symbolen Armeniens, daher auch die Farbe des untersten Streifens der Flagge Armeniens.
Es gibt viele Reptilien, darunter die Armenische Felseidechse und Giftschlangen wie etwa Vipern, unter den Spinnentieren auch Skorpione. In feuchten Niederungen leben Wildschweine, Schakale, Rehe, Nerze, Möwen und Adler; in den Steppen im Gebirge vor allem Nagetiere; in den Wäldern auch Syrische Braunbären, Wildkatzen und Wölfe. Im Naturschutzgebiet Chosrow leben noch Luchse, Wildziegen und einige Kaukasische Leoparden. Das Armenische Wildschaf kommt ebenfalls in der Nähe dieses Reservats und in den südlichen Sangesur-Bergen vor. Deren Gesamtbestand in Armenien wird auf nur etwa 250 Tiere geschätzt. Allerdings kommt die Unterart des Mufflons auch in angrenzenden Ländern wie dem Iran vor.
Die Wirbellosen sind in Armenien nur schlecht untersucht. So sind zum Beispiel von den sehr artenreichen Webspinnen bisher nur etwa 150 Arten nachgewiesen worden.
Schutzgebiete
Armenien verfügt seit längerem über drei streng geschützte Reservate. Diese sind das südöstlich der Hauptstadt gelegene Chosrow-Reservat, das trockene Erebuni-Reservat in unmittelbarer Nähe zu Jerewan und das waldreiche Shikahogh-Reservat im Süden des Landes. Daneben wurden seit einigen Jahren der Sevan-Nationalpark und der Dilijan-Nationalpark eingerichtet. Kürzlich wurden der Arevik-Nationalpark, der Arpi-Nationalpark und ein weiteres Reservat, das Zangezur-Reservat ausgewiesen.
Von den 3.213.011 Einwohnern des Landes bei der 2001 erfolgten Volkszählung waren 3.145.354 oder 97,9 % Armenier, 40.620 oder 1,3 % Jesiden und 14.660 oder 0,5 % Russen (darunter auch Molokanen). Weitere Minderheiten sind Kurden (1.519 im Jahr 2001), Assyrer und Pontosgriechen. Kleine Gemeinden bilden Ukrainer, Georgier, Weißrussen, Walachen, Mordwinen, Osseten, Udinen und Taten. Die Minderheit der Kaukasiendeutschen (1941–1944 zumeist deportiert) ist heute wie die kleine polnische Minderheit stark russifiziert. Vor dem Bergkarabachkonflikt lebten auch zahlreiche Aserbaidschaner in Armenien (2,5 % im Jahr 1989).
In Armenien ist die Bevölkerungsentwicklung rückläufig (–0,4 % pro Jahr). Allein von 1991 bis 1998 sind etwa 750.000 Armenier vor allem nach Russland und in andere Staaten der GUS emigriert.
Nach Schätzung der Vereinten Nationen lebten im Jahr 2015 940.000 Menschen, die im Gebiet des heutigen Armenien geboren wurden, in anderen Ländern. Das Verhältnis von Auswanderern zur Gesamtbevölkerung (einschl. Auswanderer) war mit 25 % das vierthöchste der Welt und blieb zwischen 1990 und 2015 nahezu unverändert.
Bevölkerungsentwicklung
Jahr |
Bevölkerung |
Jahr |
Bevölkerung |
|
1950 |
1.354.000 |
1990 |
3.538.000 |
|
1960 |
1.874.000 |
2000 |
3.070.000 |
|
1970 |
2.525.000 |
2010 |
2.877.000 |
|
1980 |
3.100.000 |
2016 |
2.925.000 |
Quelle: UN
Bildung
Trotz der Armut gilt das Bildungssystem Armeniens als ausgezeichnet, vor allem da die Staatsausgaben für Bildung sehr hoch sind, im Gegensatz zu Sozialleistungs- und Militärausgaben. Seit langem stellen die Analphabeten eine verschwindend geringe Minderheit dar. Bereits im Jahr 1960 wurde eine Alphabetisierungsrate von 100 Prozent verzeichnet.
Obwohl der Bildung traditionell große Bedeutung beigemessen wird, fehlen teilweise die Mittel für Lehrmaterialien, Gebäude oder Heizung. Das Land hat mehrere Universitäten, die größte und bedeutendste ist die 1919 gegründete Staatliche Universität Jerewan.
Gesundheit
Im Jahre 2015 betrug die Lebenserwartung der Männer 70,6 und die der Frauen 77,0 Jahre. 2004 lagen die Gesundheitsausgaben bei 5,6 % des BIP. Sie waren überwiegend außerhalb des privaten Sektors. 2006 beliefen sich die Gesundheitsausgaben der Regierung auf 112 US-Dollar pro Person.
Sprachen
Die armenische Sprache ist die Amtssprache des Landes und stellt einen eigenen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie dar. Sie (Eigenbezeichnung Hajeren) wird weltweit von etwa sieben Millionen Menschen gesprochen, in Armenien von etwa drei Millionen, das sind über 95 % der Bevölkerung. Das armenische Alphabet wurde am Anfang des 5. Jahrhunderts durch Mesrop für das Altarmenische entwickelt. Seitdem ist dieses Alphabet die feste Grundlage der nationalen Sprache und der Kultur geworden. Als Standardvarietät gilt in Armenien der ostarmenische Dialekt.
Eine Sonderrolle spielt in Armenien das Russische. Es ist zwar keine Amtssprache, aber Pflichtfach an den Schulen, Unterrichtssprache an zahlreichen Universitäten und auch im Geschäftsleben weit verbreitet. Es wird von etwa 100.000 Muttersprachlern in Armenien gesprochen, 94 % der Bevölkerung besitzen mindestens grundlegende Kenntnisse dieser Sprache. Es gibt inzwischen aber einen gewissen Trend für das Englische als erste Fremdsprache.
Eine weitere bedeutende Sprache des Landes war bis 1989 die Turksprache Aserbaidschanisch mit rund 160.000 Sprechern; aufgrund des Konfliktes um Bergkarabach wanderten die meisten Aserbaidschaner aus Armenien aus. Das nordwestiranische Kurmandschi (je zur Hälfte muslimische und jesidische Kurden) wird von etwa 100.000 Muttersprachlern gesprochen.
Insgesamt werden in Armenien zwölf Sprachen aus vier verschiedenen Sprachfamilien gesprochen. Weitere kleine Minderheitensprachen sind Ukrainisch (8000 Sprecher), Griechisch (Pontisch, 5000), Georgisch (Grusinisch, etwa 2000), Karatschai-Balkarisch (unter 1000), Lomavren (Bosha, noch 50 Sprecher), Aramäisch, Deutsch (fast ausgestorben) und Türkisch (Sprecherzahl unbekannt).
Religion
Die dominierende Konfession im Land ist das orientalisch-orthodoxe Christentum, das in Armenien die Armenische Apostolische Kirche repräsentiert; ihr gehören etwa 94 Prozent der Bevölkerung an. Sie spielt eine zentrale Rolle für die armenische Identität. Das Christentum ist tief verwurzelt, immerhin erhob Armenien im Jahre 301 als erstes Land der Welt das Christentum zur Staatsreligion. Zwar ist die Religionsfreiheit in der Verfassung garantiert, aber faktisch ist die Armenische Apostolische Kirche eine Art Staatskirche, der gewisse Sonderrechte eingeräumt werden.
Es gibt eine katholische Minderheit, die Anhänger der Armenisch-katholischen Kirche sind. Seit dem 18. Jahrhundert leben auch einige Tausend Molokanen (eine Abspaltung von der russisch-orthodoxen Kirche) in eigenen Dörfern, nachdem sie ihr angestammtes Siedlungsgebiet an der Wolga verlassen mussten. Zu den bedeutenden Minderheiten gehören ferner die Zeugen Jehovas mit 0,5 %. Die Kurden Armeniens sind häufig Jesiden oder Sunniten. Die wenigen noch im Land verbliebenen Aserbaidschaner sind schiitische Muslime.
Diaspora
Weniger als ein Drittel der rund zehn Millionen ethnischen Armenier auf der Welt lebt in der Republik Armenien. Seit Jahrhunderten gibt es armenische Gemeinschaften im Iran und in Georgien, seit dem Völkermord an den Armeniern gibt es traditionelle Gemeinschaften im Libanon, Frankreich und den Vereinigten Staaten. Nach Angaben des Instituts für Genozid und Diaspora an der Ruhr-Universität Bochum liegt die Zahl der in Deutschland lebenden Armenier bei 35.000 bis 40.000. Seit 2000 besitzt die Diaspora in Russland, vor allem in Moskau und St. Petersburg, die größte Bedeutung. Die Überweisungen an Verwandte in der Heimat sind wichtig für die Übertragungsbilanz und Armenien profitiert von einer Vielzahl von Stiftungen.